Hallo Hans-Jürgen,
ein Abzess ist eine bakterielle Entzündung. Der Unterschied zu einem sog. "Aufbruch" oder einer rein äußerlichen Entzündung ist, dass sich bei einem Abszess die Entzündung und die Bakterien im Gewebe einkapseln.
Ursache ist zu 95% ein winzig kleine mechanische Verletzung der Koi. Irgendwo stoßen sich die Paddler und es dringen Keime oder Fremdkörper in den Fisch ein. Dadurch, dass die Verletzung aber so winzig klein ist, fällt diese nicht auf und verheilt auch super schnell. Aber die Keime bzw. der Fremdkörper verbleibt im Fisch und es kann sich eine Entzündung tiefer unter der Haut im Gewebe bilden. Dabei entsteht eine Kapsel im Gewebe, die Keime und entsprechendes Sektret enthält. Durch Verschlimmerung des Zustandes nimmt diese "Kapsel" stark im Umfang zu und es kommt irgendwann zu der für einen Abzess üblichen Ausbeulung und auch irgendwann zu abstehen der Schuppen.
Dieser Prozess kann wenige Tage oder aber auch Wochen und sogar Monate dauern. Ich kenne Fälle, wo die Fische so ein "Ei" binnen 2 bis 3 Wochen entwickelt haben und wo die Paddler auch noch Wochen mit dieser Schwellung queitschfidel rum geschwommen sind. Aber ich selber hatte zum Beispiel im November den Fall, dass sich binnen 3 Tage von einer klitzekleinen Verletzung mit winziger Schwellung in den ersten 24 Stunden eine Euromünzen große Stelle, nach 48 Stunden eine Tischtennisball große Schwellung und nach 72 Stunden eine Mandarinen große Schwellung entwickelt hat. Als wir dann am dritten Tag die OP gemacht haben, mussten wir sogar feststellen, dass der Abszess dann schon durch einen Wundkanal bis in die Bauchhöhle durch gebrochen war.
Und hierin besteht die Gefahr für den Koi. An der eigentlich abgekapselten Entzündung stirb der Fisch nicht. Aber wenn das Wundsekret und die enthaltenen Keime Zugang zur Bauchhöhle oder zum Blutkreislauf erlangen, wird der Fisch recht zügig an einer Sepsis sterben. Daher ist nicht nur die operative Entfernung eines Abszess so eminent wichtig, sondern gleichwohl auch die gleichzeitige antibiotische Versorgung und Nachsorge des Fisches. Hier muss dann auch zwingend ein Antibiogramm sehr zeitnah zu OP erfolgen, da man eigentlich kaum Zeit hat verschiedene Behandlungsmethoden auszutesten.
Auch gibt es stark unterschiedlich pathogene Formen und verschieden aggressive Formen eines Abszess. Das merkt man schon beim Öffnen des "Kropf", wenn man entweder auf eine übelst riechende und extrem stinkende Flüssigkeitsansammlung trifft, oder das enthaltende Sekret fast nach überhaupt nichts riecht. Entsprechend sind auch die Prognosen für den Fisch. Denn auch wenn so eine Abszess-Öffnung einen massiven Krater verursacht, so besteht in vielen Fällen keine ernsthafte Gefahr für den Fisch, sobald man ihm fachgerecht hilft und er die notwendige Versorgung erhält. Kritisch sind halt Fälle, wo der Abszess erstmal nach innen oder außen durchgebrochen ist und es zu einem Erguss in dei Bauchhöhle oder dem ungehinderten Eindringen von Bakterien aus dem Wasser in die verletzte Stelle kommt. Aber wenn man hier dann mit dem richtigen Antibiotika behandelt, der Fisch nicht zu stark geschwächt ist und optimale Bedingungen erhält, schafft man es auch hier eine Sepsis zu verhindern. Man kann sagen, wenn der Fisch die ersten 4 Wochen gut überstanden hat und nicht an einer Sepsis gestorben und die Wunde nicht mehr entzündet ist, hat der Paddler das gröbste überstanden.
Bei warmen Wasser, idealen Wasserparametern und einer stressfreien Umgebung heilt dann auch das größte Loch wieder relativ zügig zu. Natürlich hinterlässt es eine nicht schöne Narbe, aber einmal Überstanden, wird der Fisch hieraus keine weiteren Einschränkungen mehr zu befürchten haben und wird auch nicht ewig mit so einer Sache zu kämpfen haben.
Dahingegen ist ein Bluterguss halt ein Bluterguss (ein stumpfes! Trauma). Bakterielle Entzündungen sind hier nicht ursächlich und das stumpfe Trauma verursacht eben auch keine bakterielle Infektion. Hierzu hätte damals halt schon eine Verletzung entstehen müssen, die Keimen oder einem Fremdkörper den Zugang geöffnet hätten. Das ist ganz klar nicht der Fall gewesen. Denn sonst hätte sich die Flosse zum einen nicht erholt und zum anderen hättest Du nicht Monate später eine bakterielle Entzündung an einer anderen Stelle. Und die Flosse ist ja jetzt vollkommen unversehrt und nicht betroffen.
Wie gesagt, ein Bluterguss steht nicht um Zusammenhang mit dem entstehen eines Abszess. Diesen verursachen eingedrungene Bakterien oder Fremdkörper auf Grund einer winzig kleinen (aber OFFENEN) Verletzung.
Und der betroffene Händler kann da genau so wenig dafür, wie der Besitzer des Supermarktes wenn Du Dich an der Marmelade verschluckst, welche Du knapp ein Jahr zuvor bei ihm im Laden gekauft hast.
Ob er Dir das explizit erläutern muss oder dieses eventuell als selbstverständlich hinnimmt, überlasse ich seiner Einschätzung zum Umgang mit dem Kunden.
Aber grundsätzlich ruft ja auch nicht jeder VW-Besitzer in der Firmenzentrale in Wolfsburg an und reklamiert, dass er sich einen Nagel in den Reifen gefahren hat. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass VW selbst in einem solchen Fall einen freundlichen Hinweis an den Kunden antworten würde.
Von daher haben hier sicher beide Seite irgendwie Recht
Gruß
RALF
PS: Falls Du irgendwelche Zweifel an meinen Aussagen hinsichtlich der Kausalität zwischen dem Bluterguss und dem Auftreten des Abszess hast, dann sprich doch Christine Schleicher explizit darauf an. Nur weil Du zwei Fotos mit beiden Phänomen zur Verfügung gestellt hast, muss sie ja nicht zwangsläufig vermuten, dass Du hier einen Zusammenhang herstellst. Sie wird von sich aus nur Hinweise zum dringlichen Problem und dessen Beseitigung geben. Denn das ist ja der eigentliche Kern ihrer Aufgabe. Aber ich weiß, dass sie auf Nachfrage immer gerne mehr Hintergrundinformationen gibt