Es ist egal wo wir uns gerade in der Normalatmosphäre aufhalten, die Hauptbestandteile unserer Atemluft sind nahezu überall gleich. 78,09 % Stickstoff, 20,95% Sauerstoff, 0,93% Argon, 0,035% Kohlendioxid (vorindustriell 0,026%

) und etwas Neon, Helium, usw. werden uns heute in der Atemluft garantiert. Sommer wie Winter, bei Tag und Nacht. Das ist praktisch - wie ich meine - und macht uns Lungenatmern die Sache schon recht einfach. Vielleicht nutzen Säuger wie wir darum auch nur 24 bis 34% des Sauerstoffs pro Atemzug. Für Fische sieht die Geschichte aber ganz anders aus. Im Wasser sind nur etwa 5% des Sauerstoffs im Vergleich zur standartatmosphärischen Luft enthalten. Nach einem Atemzug beträgt die Sauerstoffverwertung eines gesunden Karpfen dennoch ca. 80%.
Weitere sinnlose Unterscheidungsmerkmale von Fischen und ihren Haltern verkneife ich mir.
Hier gehts um...
... die Kiemen der KarpfenUnter dem Kiemendeckel befinden sich vier Kiemenbögen. Am inneren Rand der konkaven Vorderseite jedes Kiemenbogens sitzen die Reusenzähne (auch Kiemendornen genannt). Diese knorpeligen `Zähne` greifen ineinander und fungieren so als Gitter oder Filter, vor den Kiemenspalten, zum Schutz der Kiemen vor Fremdkörpern aber auch um die Nahrung in der Schlundhöhle zurückzuhalten. Da unser Karpfen eigentlich ein Kleintierfresser ist, sind seine `Kiemen-Zahnlücken` vergleichsweise groß. Karpfen prüfen ihre Nahrung erst auf ihre Tauglichkeit, fressen demnach sehr gezielt und pressen vor dem Schlucken ihre Schlundhöhle über die Kiemenspalten aus. Nicht das Atemwasser allein, sondern auch der nicht gewollte Beifang passiert so das beinahe schutzlose, empfindliche Organ.
Hinter den Kiemendornen folgen dann die Kiemenplättchen. Jeder der vier Kiemenbögen trägt ca. 100 paarige Kiemenplättchen. Feine Atemfältchen vergrößern zusätzlich ihre respiratorische (atmende) Oberfläche. Die gesamte respiratorische Kiemenoberfläche eines 18cm großen, zweisömmerigen Karpfens beträgt fast 1200cm² (W.Steffens, 2008)
Nur eine hauchdünne und für viele Stoffe durchlässige Zellschicht trennt den Blutkreislauf vom Wasser. Gesunde Kiemen sind demzufolge immer an ihrer durchgängig blutroten Färbung zu erkennen.
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Bild 1 Gesunde Kiemen (Bild J.Hinrichs)
Die Kiemenbögen verbinden die ventrale und die dorsale Aorta. Aus der ventralen entspringen die sich in die Lamellen verzweigenden afferenten Kiemenarterien, während über die efferenten Arterien das in den Sekundarlamellen oyxgenierte Blut der dorsalen Aorta und damit der Körperperipherie zugeführt wird. Durch dieses System kann bis zu 80% des Sauerstoffs aus dem Wasser genutzt werden, da der Blutstrom beim Einatmen entgegengerichtet ist (Rudolf W. Hoffmann,2005).
Alles klar?
Gemeint ist das Gegenstromprinzip. Dabei fließt das Wasser zwischen den Lamellen in die eine Richtung, während das Blut in den Lamellen in die entgegengesetzte Richtung fließt. (Anm. Diese tolle Erfindung der Natur habe ich beim Bau meines Frischluft-Blasensäulen-Abstromreaktor in meiner Filteranlage berücksichtigt. Es funktioniert auch da).
Durch die Atmung kann Fisch Sauerstoff aufnehmen und Kohlendioxid ausscheiden. Doch damit nicht genug. Die Kiemen sind u.a. maßgeblich an der Ausscheidung von Stoffwechselendprodukten beteiligt.
Die Stickstoffabbauprodukte (insbesondere Ammoniak, NH3) werden zu 75 bis 85% über die Kiemen ausgeschieden. Harnstoff und andere N-Verbindungen werden in wesentlich geringeren Mengen ausgeschieden. Die Nieren spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle (W.Steffens,1985).
Allein aus der pH-Wert-abhängigen Exkretion des wichtigsten Stoffwechselendproduktes, Ammoniak, über die Kiemen ergibt sich für Fische eine mit höheren Organismen nicht vergleichbare starke Umweltabhängigkeit (W. Schäperclaus, 1979)
Der Organismus der Karpfen ist darauf vorbereitet auf natürliche Veränderungen seiner Umwelt zu reagieren. Es sind die Kiemen, die ganz wesentlich dazu beitragen, dass im Innern/im Serum alles im Rahmen der physiologischen Grenzen bleibt. Der Blut-pH-Wert liegt demnach bei 7,3 bis 7,4. Dieser wird letztlich über die Atmung auf diesem Level gehalten. Damit all die Chemie im Körperinnern richtig funktionieren kann ist eine Regeneration, (Veränderung, Wiederauffrischung, Erholung, usw.) notwendig. So sind die Fische auf die natürlichen, veränderlichen Vorgaben (pH-Tag- /Nachtschwankungen, usw.) aus dem Wasserkörper vielleicht sogar angewiesen - wenn sie dann im gesunden Rahmen bleiben.
Liegt der pH-Wert des Wassers über dem des Fischblutes und ist das Wasser mit NH3/NH4+ entsprechend belastet, nimmt bei steigenden pH-Wert der Anteil des giftigen Ammoniaks im Wasser zu, sodass es entlang des Konzentrationsgefälles aus dem Wasser über die Kiemen ins Fischblut eindringt ( Werner H. Baur, 2010)
Noch eine weitere Funktion ist die Aufnahme von verschieden lebenswichtigen Salzen durch die Kiemen. Süßwasserfische besitzen für diese Mineralstoffaufnahme Chloridzellen auf den Kiemen.
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Bild 2 Aufzahnungen und Schleimbildung (Bild JH)
Über das Pillarzellsystem kann der Fisch die benötigte respiratorische Fläche durch Zu- und Abschalten von Regionen über das Vegetativum steuern und den jeweiligen Bedingungen anpassen (Rudolf W. Hoffmann). Nach den mir vorliegenden Informationen werden diese Vorgänge ausgelöst durch Temperaturveränderungen und natürlich durch den Sauerstoffgehalt im Wasser.
Auch die Atemfrequenz ist stark von der Temperatur und dem Sauerstoffgehalt abhängig (bei 22°C liegt diese normal bei 40 bis 60/min) bei einer mittleren Herzfrequenz von 52/min.
Eine Änderung der Atemfrequenz deutet zunächst auf Sauerstoffmangel. … Daneben wird die Atemfrequenz durch recht verschiedene Faktoren beeinflusst wie z.B. gewisse Chemikalien, u.a. Schwefelwasserstoff, pH-Wert, Kiemenschäden, Nervenschäden, die ihrerseits durch bestimmte Chemikalien verursacht sind, zu starke Belichtung, visuelle Reize, kurz jeden sogenannten „Stress“. Außerdem spielt auch die Verdauungssituation eine Rolle(H.H.Reichenbach-Klinke, 1980).
Allein durch Nahrungsaufnahme und Verdauung tritt bei Karpfen eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs um bis zu 50% ein. Hinzu kommt, dass sich der Sauerstoffverbrauch der Fische je nach Schwimmgeschwindigkeit gegenüber dem Grundstoffwechsel auf das Zwei- bis Vierfache erhöht.
Und diese Effekte summieren sich(Aktivität+ Futteraufnahme +Verdauung)
Bei pH-Werten von über 8,5 oder NH³-Werten über 0,07mg/l im Wasserkörper verringert sich die Ammoniakausscheidung an den Kiemen. Liegen noch höhere Ammoniakkonzentrationen im Wasser vor, kann dieses sogar über die Kiemen in das Blut eindringen. Ein sodann immer wahrscheinlich werdender Ammoniakrückstau im Blut (Autointoxitation) führt zu schwersten Schäden. Das Kiemengewebe/die Zellen sterben ab. Tödlich ist ein pH-Wert von 10,8 und pH-Werte von 9 führen zu Erkrankungen der Kiemen und Flossen. (nach Angaben einiger Autoren)
Eine Zusatzinfo: Züchter haben es geschafft Zeil- u. Nacktkarpfen zu produzieren. Ein Nachteil dieser Züchtung liegt aber darin, dass sich neben dem gewollten Verlust an Schuppen auch die Anzahl der Kiemendornen verringert hat. Diese Fische sollen ebenfalls eine geringere respiratorische Kiemenoberfläche besitzen. Ihre Sterblichkeitsrate ist deshalb erhöht.
KiemenerkrankungenNach der Prophylaxe (dem vorbeugenden Schutz) von Fischkrankheiten hat die Behandlung kranker Kiemen die absolut höchste Priorität.
Die Kiemen sind nun mal ein sehr empfindliches Organ, das auf verschiedene Einflüsse früh reagiert und die Umstände, die zur Einleitung einer Kiemenerkrankung geführt haben, können schon eine längere Zeit zurück liegen. Die Schwierigkeit liegt darin rechtzeitig eine exakte Diagnose zu stellen.
Hinzu kommt, dass wir durch den einfachen Blick unter den Kiemendeckel die Ursache einer sichtbaren Erkrankung kaum eingrenzen können. Dies gelingt nur - wenn überhaupt- im Ausschlussverfahren (Mikroskopieren, etc.) und in Verbindung mit umfangreichen Wasseruntersuchungen. Häufig sind es anfangs eben Umwelt- und Ernährungsbedingte Krankheiten, weil die Fische unter Bedingungen gehalten werden, die so gar nicht einem gesunden Umfeld entsprechen. Dann kann man sich nur noch fragen: „Was war zuerst da, ein Fütterungsfehler, ein erhöhter Gasdruck, eine Vergiftung, oder der gerade zufällig unter dem Mikroskop entdeckter Schwächeparasit.
Liegen Kiemenerkrankungen vor, sollte man also immer das gesamte Umfeld unter die Lupe nehmen, sonst sind Rückschlüsse auf die eigentliche Schädigungsursache kaum möglich. Unerfahrenen Koi- Haltern möchte ich deshalb empfehlen ein einfaches Teich-Logbuch( für Wasserparameter, Fütterung, Auffälligkeiten, Wasserwechsel,usw.) zu führen.
Es gibt zahlreiche Auslöser für Kiemenerkrankungen:
Parasiten, Pilze, Algen, Viren (auch KHV, SVC), Bakterien, Toxine ( auch Schwermetalle, insb. in Verbindung mit weichem Wasser), Fremdstoffe, Sauerstoffmangel (führt zu Stress und damit zu einer stärkeren Harnausscheidung mit Elektrolytverlust), Gasübersättigung (Gasembolien können die Blutgefäße der Primärlamellen verstopfen), Temperaturschock, NH3Vergiftungen (die vielleicht häufigste Ursache), hohe/niedrige pH Werte, hohe/niedrige CO 2 Gehalte (bei Überbesatz in Verb. mit techn. Sauerstoff), verdorbenes Futter, Fettmangel (fettarme Ernährung verschlimmert den Krankheitsverlauf), Mineralstoffmangel, Vitaminmangel ( Kiemenverklebungen, Kiemenschwellungen/Aufwölbungen) Fütterungsfehler (Zusammensetzung/ Menge/ Zeitpunkt) Kiemenverklebungen durch verdorbene/oxidierte Fette, usw.
Leichte Blutungen aus den Kiemen sind nicht zwangsläufig ein Hinweis auf eine Kiemenerkrankung. Das sehr dünne und exponierte Gewebe blutet leicht einmal. Allein der (Handling-)Stress beim Fischfang und beim Umsetzen kann das auslösen. Ich denke, Sie haben dies bei ihren Koi sicher auch schon einmal beobachtet. Keine Panik! Karpfen haben in ihrem Blut einen sehr hohen Fibrinogengehalt. Leichte Blutungen kommen damit innerhalb einer Gerinnungszeit von 30-60sec. normalerweise zum Stillstand. Wenn nicht..... hat man ein echtes Problem.
Ist eine Erkrankungen nicht unmittelbar tödlich und wird nicht rechtzeitig bemerkt, entsteht das Bild einer Kiemennekrose.
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Bild 3 Kiemennekrose (Bild JH)
Die Kiemennekrose ist - entgegen der weitläufigen Meinung- keine ansteckende Krankheit sondern nur eine logische Folge auf automatische Prozesse/Reaktionen.
Die Nekrose ist das Endsymptom verschiedener erreger-, umwelt-, oder ernährungsbedingter Kiemenerkrankungen (K. Schreckenbach.1994).
Akut Erkrankte Koi kommen notatmend an die Oberfläche. Ihre Reaktionen lassen nach. Schwer kranke Fische zeigen dann auch kaum noch Fluchtreflexe. Ihr Augendrehreflex ist vermindert oder fehlt. Wird eine Nekrose dennoch überstanden kann es mehrere Wochen bis Monate dauern, bis das geschädigte Gewebe regeneriert ist. Karpfen können einiges wegstecken und sind auch nicht sonderlich empfindlich. So können sie sogar einige Stunden außerhalb des Wassers überleben wenn die Kiemen nicht austrocknen.
Damit es gar nicht erst zu einer Nekrose kommt sollten Verhaltensänderungen der Fische immer unsere Aufmerksamkeit erhöhen.
Leider geben uns die Pfleglinge oft nur unspezifische Signale.
Am Anfang einer Erkrankung reagieren Fische durch: gesteigerte Unruhe, Verweigerung der Nahrung, schnellerer Atmung, Schütteln, Speibewegung(Husten), Schießen oder Springen, Schrägstellung, usw.
Achten Sie einfach auf alles

Und keine Panik > Eintrag ins Logbuch und ggf. Fachtierarzt einladen.
Bei Kiemenschwellungen und bei starkem Parasitenbefall werden die Kiemen abgespreizt. Eine Zerstörung der Kiemenblattenden kann auftreten wenn Kiemenwürmer anwesend sind. Verstopfungen der Gefäße durch Gasembolien oder Blutwürmern werden durch eine Dunkelfärbung angezeigt. Kleine weiße Pünktchen ruft ein Befall mit Ichthyo hervor. Hohe Ammoniakkonzentrationen Weißfärbung. Bräunliche Verfärbungen der Kiemenenden sind lt. Literaturangaben oft ein Zeichen der Kiemenfäule, eine Aufzahnung mit Schleimbildung kann die Kiemenfäule verursachen.
Um vielleicht vorhandene Ektoparasiten nachweisen zu können, muss man einen Abstrich von den Kiemen fertigen und sofort mikroskopieren. Und dann?
Zu welchem Urteil kommen wir, wenn im nekrotischen Gewebeabstrich tatsächlich ein paar Costien nachweisbar sind?
Schauen Sie sich Bild 3 bitte noch einmal an. Braune und helle Flächen, Schleim, Blutungen, Verklebungen, Schwellungen, abgestorbenes Gewebe. Was hat zu diesem Krankheitsbild geführt? Lag es am falschen Futter? Da wäre ich mir nicht sicher. Die richtig hellen Pünktchen in meinem Foto sind Reflexionen vom Blitzlicht.
EmpfehlungenDie Behandlung der Kiemennekrose mit Medikamenten ist definitiv nicht möglich. Andauernde Stressoren und eine unfachmännisch durchgeführte Untersuchung (Betäubung, Kiemenabstrich) und Behandlung kann die Situation für Notfallpatienten nur verschlechtern.
Stellen Sie in jedem Fall erst einmal die Fütterung ein, wenn die o.a. Symptome eine längere Zeit bestehen.
Machen Sie sich ein Bild von der Gesamt-Situation und entscheiden dann, ob ggf. ein Teilwasserwechsel notwendig ist (wenn dies nicht zuvor der Auslöser war).
Es geht dann primär um die Schaffung oder Wiederherstellung guter Umwelt- und Haltungsbedingungen.
Wenn die Kiemen erkrankt sind müssen echte Notfallpatienten ohne Umwege (ausgenommen Salzbäder) für einige Wochen in die geeignete Quarantäne. Aus Literaturangaben und meinen eigenen Erfahrungen kann ich sagen, dass dem Quarantänewasser dann 0,6% NaCl zugesetzt werden sollten.
Vorläufiges ENDE
Ich würde mich über eure Verbesserungsvorschläge zu diesem Thema freuen. Da geht noch einiges mehr...
Schreibt bitte Eure Meinungen dazu!
Grüßle