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 Betreff des Beitrags: Japanisches Verständnis der Natur
BeitragVerfasst: Fr 30.Jun 2006 11:05 
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Japanisches Verständnis der Natur

In ihm drückt sich ebenfalls aus, dass das japanische Denken stärker oder zumindest anders an der Natur orientiert ist, als beispielsweise das europäische. Die Gärten zeigen auch einen maßgeblichen Einfluss von der chinesischen Lehre Feng Shui und dem Prinzip von Yin und Yang. Dazu kommt die Ehrfurcht vor der Natur, wahrscheinlich wegen der vielen Erdbeben, Vulkane, Tsunamis und auch Taifunen, die Japan immer wieder bedrohen. Bei Waldrodungen ist es üblich, Ersatzhäuser zu bauen, um die Naturgeister zu besänftigen. Im in Japan verbreiteten Shintoismus wird das Land auch das „Land der acht Millionen Kami“ bezeichnet.

Von „geborgter Landschaft“ (jap. Shakkei) kann nur dann gesprochen werden, wenn die betreffende Landschaft den Hauptschwerpunkt des jeweiligen Gartendesigns bildet. Keineswegs ist jede malerische Hintergrundkulisse als „Shakkei“ zu werten.


Derartige Gärten sind meistens bis ins Detail geplant, um sie vollends zu verstehen, ist es nötig, sie richtig „lesen“ zu lernen. Neben dem theoretischen Wissen über die Gestaltung und der Handwerkstechnik muss sich der Errichter des Gartens in den gegebenen Ort einfühlen können, damit der Garten mit der Umgebung harmoniert.

Die Gärten sind so angelegt, dass ihre Besucher zahlreiche Entdeckungen machen. Häufig führt auch ein Blick aus einer anderen Perspektive, einer andere Stelle zu einer neuen Entdeckung und einem ganz anderem Eindruck der gleichen Anlage. Deshalb ist die Anordnung asymmetrisch und nicht zentral. Beliebt sind auch holperige, unebene Wege, um den Betrachter nicht wahrnehmungslos durch den Garten gehen zu lassen. Gerade Wege finden ihre Verwendung nur, um den Blick in eine bestimmte Richtung zu lenken. Je nach Gartentyp oder Einstellung des Betrachters kann man anstatt herumzuschlendern, sich an einer Stelle niederlassen und den Garten einfach auf sich wirken lassen, während man ihn eingehend betrachtet.

Interpretationen
Steinlaternen im japanischen Teil des Monte Palace Tropical Garden auf MadeiraDer Betrachter eines Gartens kann in verschiedenen Elementen eines Gartens viele Interpretationen sehen. Dabei können sowohl Elemente einzeln als auch mehrere in Kombination betrachtet und gedeutet werden. Trotz der genauen Planung gibt es aber keine strenge Vorgabe bei der Deutung. In Zengärten kommen besonders die vier Elemente Stein, Wasser, Moos und Baum vor.

Steine können gezielt den Blick auf sich ziehen. Dabei symbolisieren sie beispielsweise Tiere, die in die Natur eingebunden sind. Aber sie wurden auch vom Himmel herabsteigenden Göttern gewidmet. Das Wasser steht für Seen oder gar Ozeane, die auch über das Meer kommenden Göttern gewidmet sein können. Laut einer chinesischen Legende verwandelt sich ein Fisch, der einen Wasserfall hinauf kommt, in einen Drachen. Dieser Drachentor-Wasserfall wird in Japan ein Sinnbild für Erleuchtung (Satori). Dass kein echtes Wasser verwendet wird, kommt nur in der Sonderform des Kare-san-sui vor. Das Moos hält Feuchtigkeit am Boden und bedeutet zugleich Alter, was in Japan dadurch gleichzeitig Ehre bedeutet. Bäume sind das Symbol für das Leben, sie können auch als Sinnbild für das Menschsein angesehen werden, da sie Teil eines Ganzen und zugleich individuell sind. Je nach gewünschtem Effekt können auch Bonsai eingesetzt werden.

Sand und Kies oder speziell Granitkies, der nicht so schnell verweht, wird verwendet, um Wasser darzustellen, durch geharkte Linien werden Wellen vorgetäuscht. Steine an einem Berg können als liegende Hunde oder Wildschweine oder auch als Kälber, die mit ihrer Mutter spielen, aufgefasst werden. Bambus ist sowohl biegsam als auch standfest, einzelne Abschnitte des Rohrs symbolisieren die Generationen. Pflaumen- und Kirschbäume blühen im Verlauf eines Jahres auf und verblühen wieder, wodurch Vergänglichkeit symbolisiert wird. Auch Formelemente von Hügeln, beschnittenen Hecken oder Seen können eigene Interpretationen ermöglichen.

Ähnlich wie die Gärten als ganzes können Becken aus von Menschenhand bearbeiteten Natursteinen die Einheit von unkontrollierter und kontrollierter Natur widerspiegeln. Ein weiterer möglicher Kontrast sind immergrüne Kiefern neben einem Pflaumenbaum, welcher den Dualismus von Augenblick und Ewigkeit darstellt. Es können sich darüber hinaus auch Steinlaternen oder Teehäuser in die Landschaft einfügen.


Sprache der Pflanzen
Manche Pflanzen ermöglichen sogar weitere Deutungen, wenn man Homonyme ihrer Worte betrachtet. So sind Kiefern langlebig und immergrün, also beständig. Das japanische Wort dafür ist „matsu“ (warten) ähnlich, eine mögliche Interpretation wäre das Warten auf den Geliebten. Das japanische Wort für Blumen lautet "hana", was auch Schönheit heißen kann. „Nadeshiko“ bezeichnet sowohl wilde Nelken als auch junge Mädchen.


Geschichte
Die Ursprünge der Zengärten liegen in den chinesischen Gärten um das Jahr Null herum, die auf den Taoismus und das Prinzip Yin und Yang zurückgehen. Um 612 hat ein Koreaner namens Shikomaro, was soviel wie hässlicher Maro bedeutet, in Japan Berühmtheit erlangt, weil er eindrucksvolle Gärten gestaltet hatte. Während der Nara-Periode 645 bis 794 begann eine freiere Umsetzung der Natur im Garten. In der Heian-Periode ab 794 bis 1185 waren die in dieser aufkommenden Dichter für die Gärten verantwortlich. Um 1000/1100 entstand auch der berühmte Ryoan-ji Tempel. Dazu kam der Stil der Shoin-Architektur, durch den Gärten immer nur aus bestimmten Blickwinkeln betrachtet werden, nie aber der Blick aufs Ganze stattfindet.

Ab 1615, der Edo-Periode sind die ersten Gärtner bekannt, die ihre Tätigkeit als richtigen Beruf ausüben. Dabei entstand in kurzer Zeit auch eine Spezialisierung für die kleinsten Details. Angeblich wurde Kyoto 1945 wegen der Gärten von Bomben verschont. Heute sind die Gärten wie in Kyoto grüne Inseln inmitten von modernen Großstädten, die ihre Tradition und ihre Ruhe aufrecht erhalten haben.

Steingärten
Nach dem Onin-Krieg lag Kyoto in Trümmern, Geld zur Errichtung neuer Gärten war nicht vorhanden. In den Tempeln, die nun ohne üppige Finanzierung durch Aristokratie und reiche Familien auskommen mussten, entwickelte sich um 1513 ein neuer, sehr reduzierter Stil: Kare-san-sui, der Trockengarten aus Steinen und Sand. Diese berühmten Zen-Gärten dienen ausschließlich der Meditation.

Berühmt sind Daisen-in mit seinem trockenen Wasserlauf und den Sandkegeln und besonders Ryoan-ji mit seinen sorgfältig komponierten Steininseln auf geharktem Sanduntergrund. Ein Garten, der von Offenheit, Weite und Asymmetrie bestimmt ist, obwohl er nicht viel größer ist als ein gewöhnlicher Tennisplatz. Durch den radikalen Verzicht auf Pflanzen (nur ein wenig Moos um die Steine herum wird zugelassen) bekommt die Anlage etwas Zeitloses, Abstraktes.


Teegärten
Im Zusammenhang mit der Teezeremonie entwickeln sich nun auch Teegärten, die ganz eigene rituelle Aufgaben übernehmen. Rund um das Teehaus gilt es, eine Atmosphäre von Abgeschiedenheit von der Welt zu erzeugen, so dass die Teegäste zur Ruhe kommen können. Eine Wartebank und ein Wasserstein zum Reinigen der Hände gehört ebenso dazu wie das Tor, durch das man in den Teegarten eintritt und damit alles Weltliche hinter sich zurücklässt. Die Bepflanzung mit dichtem Bambus oder Sträuchern erzeugt den beabsichtigten Eindruck von Wildheit und Ursprünglichkeit.


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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: So 02.Jul 2006 18:56 
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Hallo Marc,

vielen Dank für die "kleine" Japangartenkunde, sehr informativ! :D


Gruß Berit

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Gruß
Berit

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